Kapitel 23

»Sie können nicht aufhören«, insistierte Braddon mit einem panischen Unterton in der Stimme.

»Warum um alles in der Welt nicht, Braddon? Madeleine war gestern Abend ein voller Erfolg, und ich wüsste nicht, was ich ihr noch beibringen könnte.« Sophie öffnete ihren Sonnenschirm. Braddon hatte sie in seinem Phaeton abgeholt, und die Sonne schien schräg in die Kutsche hinein. »Wir wissen ohne Sie nicht, welche Einladungen Madeleine auswählen soll.«

»Unsinn!«, sagte Sophie ein wenig scharf »Wir haben das bereits besprochen. In den nächsten Wochen wird Madeleine an acht oder neun öffentlichen Anlässen teilnehmen und Sie werden ihr bei allen Ihre Aufmerksamkeit schenken. Schließlich werden Sie auf dem Ball von Lady Greenleaf Ihre Verlobung bekannt geben.«

Braddon blickte sie verzweifelt an. »Aber warum wollen Sie denn nicht weitermachen?«

»Nun«, erwiderte Sophie ein wenig gereizt, »wenn Sie es unbedingt wissen müssen, so würde ich von nun an gerne häufiger zu Hause bleiben. Ich würde gerne mehr von meinem Gatten sehen.« Patrick war unweigerlich jedes Mal abends abwesend, wenn Sophie die Nachmittage mit Braddon verbrachte und sie war fest entschlossen, Patrick von seiner schwarzhaarigen Dirne zurückzuerobern.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es Patrick nicht gefallen wird«, sagte Braddon. »Ist wohl wütend wegen all der Ausfahrten mit mir, was? Wenn ich es recht bedenke, dann war er in den letzten Monaten mir gegenüber teuflisch mürrisch.«

»Er hat kein Wort darüber verloren. Offen gesagt glaube ich nicht, dass er es überhaupt bemerkt hat.« Sophies Stimme klang ruhig, aber entschlossen.

»In dem Fall«, sagte Braddon, dem sein eigenes, viel wichtigeres Anliegen wieder einfiel, »haben Sie keinen Grund, Madeleine nicht mehr zu besuchen.«

Sophie klappte ihren Sonnenschirm zu und wandte sich Braddon zu. Wie sie mit einiger Verärgerung bemerkte, fuhren sie die Water Street entlang in Richtung Vincent's Pferdemarkt, obwohl sie unmissverständlich Nein gesagt hatte. »Lord Slaslow, bitte lenken Sie die Kutsche an den Straßenrand.«

Braddon zog die Schultern hoch und war sehr froh darüber, dass er Sophie nicht geheiratet hatte.

»Braddon!« In diesem einen Wort lag ebenso viel Nachdruck wie in den eisigen Befehlen ihrer Mutter.

Er fuhr an die Seite und band die Zügel fest.

»Warum möchten Sie, dass ich Madeleine weiterhin jede Woche besuche?«, fragte Sophie.

»Sie will mich nicht sehen, wenn Sie nicht dabei sind, Sophie. Verdammt, sie weigert sich sogar, mich zu küssen!«

»Sie werden Madeleine an den Abenden sehen, Wenn Sie es wünschen, können Sie sie kommende Woche zu einer Kutschfahrt durch den Park oder einem ähnlichen Anlass einladen. Natürlich nur in Begleitung einer Anstandsperson«, fügte Sophie hinzu.

Braddon blickte sie rebellisch an.

»Seien Sie nicht töricht, Braddon. Und nun möchte ich gerne nach Hause zurückkehren.« Sophie nahm wieder ihren Sonnenschirm in die Hand.

»Ich fürchte mich, Sophie!«

Sie wandte den Kopf. Hatte sie richtig gehört? Offensichtlich ja. Braddons traurige Hundeaugen hefteten sich flehend auf ihr Gesicht.

»Wir brauchen Ihre Hilfe, Sophie, und zwar bis zum Ende. Es sind doch nur noch drei Wochen«, drängte Braddon. »All das fällt mir nicht leicht wissen Sie. Ich fürchte, ich werde mich zum Affen machen und jeder wird wissen, wer Madeleine wirklich ist, und - oh, Sophie, als ich diesen Plan ausheckte, dachte ich nur an mich und Madeleine. Es ist mir erst vor ein paar Tagen aufgegangen, wie sehr es meine Mutter verletzen könnte, wenn die Sache auffliegt.«

,Sophie saß einen Moment lang schweigend da. »Ich weiß immer noch nicht, was ich Madeleine sonst noch beibringen könnte«, sagte sie.

»Sie können ihr noch den letzten Schliff geben«, erwiderte Braddon. »Meine Mutter ist eine gemeine alte Streitaxt, das wissen Sie selber. Aber einen Dummkopf wie mich hat sie als Sohn nun auch nicht verdient. Und wenn mein Plan, die feine Gesellschaft zu täuschen, fehlschlägt, dann kann sie sich nie wieder blicken lassen.«

Sophie musste die Wahrheit hinter Braddons Worten anerkennen. »Vielleicht hätten Sie daran früher denken sollen«, sagte sie.

»Das weiß ich doch«, erwiderte Braddon unglücklich, »aber ich war noch nie besonders gut im Pläne aushecken.«

»Oh, na gut«, gab Sophie schließlich mit einem Seufzer nach.

Als sie am nächsten Morgen erwachte, erfüllte sie ein Gefühl tiefer Zufriedenheit. Madeleine war am Abend zuvor mit Mrs Trevelyan bei einem Hauskonzert erschienen und niemandem konnte entgangen sein, dass der Graf von Slaslow sehr von ihr angetan war. Er saß während des zweiten Teils des Programms neben ihr und versorgte sie aufmerksam mit Champagner. Da die feine Gesellschaft nun schon seit drei Jahren Zeuge wurde, wie Braddon zielstrebig nach einer passenden Frau suchte, fiel es niemandem schwer zu schlussfolgern, dass die hübsche junge Französin, Lady Madeleine Corneille, nun das Ziel von Slaslows ehelichen Absichten war.

Sofort wurden bei White's Wetten darüber in die Bücher eingetragen, ob Madeleine ihn erhören würde. Noch größere Summen wurden darauf gesetzt, ob sie ihn im letzten Moment abservieren und einen anderen Mann heiraten würde wie Lady Sophie Foakes es getan hatte. Braddon las die Wetten mit einem Stirnrunzeln, war jedoch innerlich erleichtert. Es gab auch nicht das leiseste Anzeichen eines Gerüchtes, dass Madeleine Corneille etwas anderes war, als die Tochter eines französischen Marquis.

Die feine Gesellschaft wusste es noch nicht, aber Madeleine und Braddon hatten für den Abend noch eine größere Sensation geplant. Sie würden zum Ball bei Lady Eleanor Commonweal gehen, der zu Ehren der Verlobung ihrer Tochter Sissy gegeben wurde und Madeleine würde Braddon gestatten, sie zum Diner zu führen.

Um neun Uhr war Patrick noch nicht nach Hause zurückgekehrt, um Sophie zu dem Ball bei den Commonweals zu begleiten und so wanderte sie durch das Haus, bis sie schließlich die Kutsche vorfahren ließ und sich mit hoch erhobenem Kopf alleine auf den Weg machte.

Zufällig befand sich gerade der Herzog von Cumberland an der Tür, als sie den Ballsaal betrat. Er musterte sie wie üblich mit einem lüsternen, aber harmlosen Blick. An diesem Abend war er ganz der königliche Herzog. Er trug einen königsblauen Umhang, der von einer Ehrenmedaille gehalten wurde, die er vor einen Jahren vom König erhalten hatte.

»Habe gehört, dass Sie nun eine Herzogin sind, meine Liebe«, sagte er und drücke ihr seine feuchten Lippen auf die Hand.

»Ich bitte um Verzeihung, Euer Gnaden?«

»Sie sind doch nun eine Herzogin? Warten Sie, die Herzogin von Gisle, das war es! Sie erzählen mir nicht viel«, sagte er und trat so nah es ging an die schöne Herzogin heran, »aber das konnten sie mir nicht verschweigen. Habe gehört, dass es heute Nachmittag vom Parlament verabschiedet wurde.«

Als er ihre völlige Verwirrung bemerkte, lächelte der Herzog. Offensichtlich hatten die Gerüchte über die Schwierigkeiten zwischen der bezaubernden Lady Sophie und ihrem Gatten nicht übertrieben. Sobald sie das Balg geworfen hat, das sie austrägt, wird er sich davonmachen, dachte der Herzog.

»Das Parlament hat Ihrem Mann einen Titel gewährt«, erklärte er langsam. »Sie haben ihn zum Herzog von Gisle ernannt. Dadurch werden Sie zur Herzogin von Gisle.«

Sophie trat instinktiv einen Schritt zurück, um dem heißen Atem des königlichen Herzogs an ihrem Hals zu entkommen.

»Oh, aber natürlich«, murmelte sie und machte einen tiefen Knicks. »Einen Augenblick lang hatte ich das völlig vergessen. Danke, dass Sie mich erinnert haben, Euer Gnaden.«

In Cumberlands Augen las sie die ungeheure Blamage, die sie gerade erlitten hatte. Er würde niemals in der Lage sein, diese Angelegenheit für sich zu behalten - nämlich die köstliche Neuigkeit, dass der Herzog von Gisle es nicht einmal für nötig gehalten hatte, seiner Frau mitzuteilen, dass er zum Herzog ernannt wurde. Eine Herzogin, die nichts von ihrem Titel wusste!

Patrick erschien nicht auf dem Ball. Nach einer Stunde kehrte Sophie nach Hause zurück. Cumberlands Neuigkeit hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Sie konnte es nicht mehr ertragen, dass Leute sie mit »Euer Gnaden« anredeten, während ihnen die blanke Neugier in den gierigen Augen stand. (»Wo ist denn der Herzog heute Abend, Euer Gnaden? Welch eine Ehre! Man könnte meinen, er sei nicht an seinem neuen Titel interessiert!«)

Als sie zu Hause ankam, gab sie Clemens einige Anweisungen und ging dann in die Bibliothek.

Patrick saß bequem vor dem Kamin und las ein Buch.

Sophie stieg eine tiefe, zornige Röte in die Wangen. »Wie kannst du es wagen, nicht rechtzeitig nach Hause zurückzukehren, um mich zu dem Ball der Commonweals zu begleiten?«

Patrick blickte auf und erhob sich höflich. »Zufälligerweise«, erwiderte er lässig, »hast du mir nicht gesagt, wohin wir gehen oder dass wir eine Einladung angenommen haben, meine Liebe. Hättest du mich darüber informiert, dass du meine Begleitung wünschst, wäre ich sicherlich mitgekommen.«

Sie hatte ihm ganz sicher von dem Ball erzählt. Obwohl sie tatsächlich in letzter Zeit alle möglichen Dinge vergaß. Vielleicht hatte sie es doch versäumt.

»Du hättest dich erkundigen müssen, ob ich deine Begleitung benötige«, erwiderte Sophie.

Patricks tiefschwarze Augen musterten sie reserviert. »In diesem Fall entschuldige ich mich.«

»Nun«, sagte Sophie ungeduldig und erinnerte sich plötzlich wieder daran, warum sie zornig war, »das ist auch nicht so wichtig. Du - du hast mir nicht gesagt, dass du nun ein Herzog bist!«

»Oh, hat Breksby es so schnell durchgesetzt?«

Sophie blickte ihren Mann an wie einen völlig Fremden. Patrick schien nicht sehr an der Neuigkeit interessiert und reagierte nur, als habe sein Lieblingspferd gerade in Ascot gewonnen.

»Hast du völlig den Verstand verloren? Wovon sprichst du?«, rief sie mit erhobener Stimme, die beinah wie ein Kreischen klang.

»Ich spreche von dem Titel«, erwiderte Patrick ein wenig überheblich. »Es war mir nicht bewusst, dass Breksby ihn bereits im Parlament durchgesetzt hat.«

»Und es ist dir nicht in den Sinn gekommen, es mir zu erzählen?« Sophie war inzwischen fuchsteufelswild. »Weißt du eigentlich, wie peinlich es ist, wenn einem der Herzog von Cumberland mitteilt, dass man eine Herzogin ist? Hast du auch nur eine Ahnung, wie furchtbar es ist, gar nicht zu wissen, warum man plötzlich zur Herzogin ernannt wird? Kennst du das Gefühl, plötzlich vor einem Raum voller Leute zu stehen, die sich totlachen, weil der Ehemann es offensichtlich nicht für nötig hielt, die eigene Frau darüber zu informieren?«

Auf Patricks Gesicht erschien ein spöttisches, unergründliches Lächeln. Er trat neben seine Frau, nahm ihren Arm und führte sie zu einem Sessel. »Ich verstehe, dass dich das sehr erregt«, sagte er beschwichtigend. »Um ehrlich zu sein, hatte ich es völlig vergessen.«

»Du hattest es vergessen!« Sophie starrte ihren Mann an. Dann sprang sie aus dem Sessel hoch. »Du hast es vergessen, dass du ein Herzog des englischen Königreiches wirst! Du hast es vergessen, deiner Frau mitzuteilen, dass sie eine Herzogin wird!«

»Ich verstehe nicht, warum du dich so sehr darüber aufregst«, erwiderte Patrick, der inzwischen die Beherrschung zu verlieren drohte. »Du wolltest doch stets einen Titel heiraten, wenn ich mich recht erinnere. Nun, jetzt habe ich deinen kostbaren Braddon übertrumpft!«

Eine Sekunden lang herrschte absolute Stille. Sophie suchte krampfhaft nach einer Antwort auf Patricks Angriff, aber sie war so. außer sich, dass ihr nichts einfiel.

»Wie kommst du darauf, dass ich einen Titel heiraten wollte?«, fragte sie schließlich.

Patrick zuckte die Achseln. »Das wusste ich schon immer.« Er würde sich bestimmt nicht mit dem Argument blamieren, dass Braddon ein dicker, dummer Mann sei. Außerdem gelangte er immer mehr zu der Überzeugung, dass Sophie tatsächlich eine echte Zuneigung - wenn auch nicht Liebe - für diesen Tölpel hegte. Und Braddon war auf seine eigene Art wirklich sehr liebenswert.

Sophie spürte eine unendliche Leere in ihrer Brust, die ihr Herz ergriff. Die Gedankengänge ihres Mannes waren ihr völlig unverständlich. »Würdest du mir bitte erklären, warum dich das Parlament zum Herzog ernannt hat«, sagte sie mit gefährlich sanfter Stimme, während sie sich wieder hinsetzte. »Herzog von Gisle, nicht wahr?«

»Ich reise nächsten Herbst als Botschafter ins Osmanische Reich«, sagte Patrick mit einem Schulterzucken. Nun kam er sich tatsächlich vor wie ein Mistkerl.

Du reist ins Osmanische Reich ... hat es etwas mit Selim III zu tun?« Patrick wunderte sich erst gar nicht über das ungewöhnliche Wissen seiner Frau. Sophie war eine erstaunlich intelligente Frau. Zumindest das hatte er während ihrer Ehe gelernt. »Im Herbst?«

Sophie blickte ihn an. Im Schein der Kerzen waren seine Augen so schwarz wie ihre. »Nun, um uns brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen«, sagte sie und ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Ich werde zurück zu meiner Mutter ziehen.« Ihre Hände strichen zwanghaft über ihren Bauch.

»Natürlich wirst du nicht zurück zu deiner Mutter ziehen«, erwiderte Patrick gereizt.

»Warum um alles in der Welt nicht? Ich werde Anfang des Herbstes mein Kind zur Welt bringen, wie du offensichtlich vergessen hast.«

Es versetzte Patrick einen schmerzhaften Stich, dass Sophie von ihrem Kind sprach. »Du wirst nicht zurück zu deiner Mutter ziehen, weil es nicht richtig aussehen würde«, sagte er abweisend.

Sophies Augen wurden schmal. »Es würde nicht richtig aussehen.« Ihr Ton war eisig. »Vermutlich verbringst eine Menge Zeit damit, dir Gedanken darüber zu machen, wie unsere Ehe nach außen hin wirkt, Euer Gnaden.« Sie betonte diese Anrede mit bissiger Ironie.

Patrick errötete. »Ich entschuldige mich dafür, dass ich dich nicht früher über diesen Titel in Kenntnis gesetzt habe, Sophie.« Aber er sah nicht ein, warum er weitere Erklärungen abgeben sollte. Was sollte er sagen? Zugeben, dass er diesen sinnlosen Titel völlig vergessen hatte? Seine Frau hielt Titel nicht für wertlos! Man musste sich ja nur den Aufstand ansehen, den sie verursachte, weil sie Herzogin wurde.

»Du bist jetzt eine Herzogin. Kannst du dich nicht einfach darüber freuen?«

Sophie starrte den Rücken ihres Mannes an, der ins Feuer schaute. Freuen? Ihre. Ehe war ein Desaster, schlimmer, als sie es sich in ihrer Jugend in ihren schlimmsten Träumen ausgemalt hatte.

»Vielleicht wäre es tatsächlich besser, wenn du bei deiner Mutter bliebest«, sagte Patrick und trat gegen einen Holzscheit. »Ich werde wahrscheinlich einige Monate fort sein.«

Das ist das Ende, sagte Sophie sich. Nicht einmal ihre eigene Mutter war von ihrem Mann zurück zu ihrer Mutter geschickt worden. Patrick machte sich so wenig aus ihr, dass er ihre Existenz scheinbar völlig vergessen hatte. Wieso konnte er es sonst versäumt haben, ihr von seiner bevorstehenden Herzogswürde zu erzählen? Die Geburt ihres Kindes schien ihn jedenfalls überhaupt nicht zu interessieren. Wie es aussah, würde er bei diesem Ereignis nicht einmal im Land sein.

Sophie musste schlucken, so sehr brannten ihr die Tränen in den Augen. Also erhob sie sich und verließ schweigend den Raum. Es bestand wirklich kein Anlass, weiter darüber zu reden.

Nur ihr tiefer, unbändiger Stolz ermöglichte es Sophie, die nächsten Wochen mit hoch erhobenem Kopf zu überstehen. Erfreut verfolgte sie Madeleines soziale Triumphe. Doch Patrick kam nun jeden Abend spät nach Hause. Zwei Mal schickte sie Charlotte eine Nachricht und schloss sich ihnen am Abend an, da ihr Mann sie nicht mehr zu gesellschaftlichen Anlässen begleitete.

Alex musterte sie eindringlich mit seinen schwarzen Augen, die Patricks einerseits ähnelten, andererseits so ganz anders waren, aber weder er noch Charlotte fragten, warum Patrick nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnahm. Sophie zog jedoch ungeheure Kraft aus Charlottes stummer Unterstützung.

Nur Eloise verlangte eines Nachmittags eine Erklärung. Sophie trank Tee mit ihrer Mutter und lehnte geistesabwesend den Vorschlag ab, wenigstens einmal die Woche Rebhuhn zu essen, um das wachsende Kind zu stärken.

Plötzlich faltete ihre Mutter die Hände im Schoß und blickte sie an. Wie üblich war Eloises Rücken kerzengerade.

»Lag es an den Sprachen, Sophie, chérie?«

Einen Augenblick lang verstand Sophie die Frage nicht.

»An den Sprachen?«

»Haben die Sprachen dich und Patrick entfremdet?«

Sophie errötete. »Oh nein, Mama. Zumindest glaube ich das nicht.«

Eloise musterte sie scharf. »Du glaubst es nicht?«

»Als er es in Wales herausfand, schien er -«

»Es ist meine Schuld«, rief Eloise mit gequälter Stimme. Ach hätte niemals zulassen dürfen, dass dein Vater seinen Willen durchsetzt! All diese Bildung hat dazu geführt, dass er sich nichts mehr aus dir macht, nicht wahr?«

Sophie schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Maman. Patrick macht sich so oder so nichts aus mir. Er vergisst, dass ich existiere.«

»Das könnte er nicht«, widersprach ihre Mutter.

Sophie lächelte sie an. Was immer ihre Mutter auch an Fehlern haben mochte, so war sie dennoch bedingungslos loyal. »Es ist nicht so schlimm, Mama, wirklich nicht. Es macht mir nicht viel aus. Und Patrick ... nun, er amüsiert sich anderswo.« Sie zuckte die Achseln. »Er scheint nicht zu bemerken, ob ich da bin oder nicht. Er hat sogar vorgeschlagen, dass ich im Herbst zu dir und Papa zurückziehe. Er wird als Botschafter in das Osmanische Reich reisen.«

Eloises Züge wurden hart. »Da kennt er aber deinen Vater schlecht! Foakes glaubt also, er könnte seine Braut wegwerfen wie einen Sack Wäsche! Und was ist mit dem Kind?«

Sophie verschränkte die Hände im Schoß. Es klang viel schlimmer, wenn ihre Mutter es aussprach. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sophie weinte in letzter Zeit wegen jeder Kleinigkeit.

»Bitte, Maman«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Können wir es nicht einfach auf sich beruhen lassen? Es ist nichts daran zu ändern - bitte, erzähl es nicht Papa.«

Eloise setzte sich neben ihre Tochter auf die Couch und legte liebevoll den Arm um sie. »Mach dir keine Sorgen, mignonne«, sagte sie tröstend. »Denk nur an dich und das Baby. Und wir würden uns sehr freuen, wenn du im Herbst auf einen langen Besuch zu uns kommst.«

Tränen fielen auf Sophies Hände. »Ich möchte nicht darüber reden.« Dennoch fuhr sie fort. »Ich habe nie etwas wegen Patricks Mätressen gesagt, aber es hat keinen Unterschied gemacht. Er kam einfach abends nicht mehr nach Hause. Und dann ... und dann. Wir reden nicht mehr miteinander. Also wusste ich nicht, dass er ein Herzog ist, und ich wusste nicht, dass er in die Türkei reisen wird -genau dann, wenn das Kind geboren wird ...«

»Wir werden es nie wieder erwähnen«, sagte Eloise tröstend.

Nach einem Moment sammelten sie sich und die Marquise von Brandenburg nahm wieder ihren alten Platz ein. Eloise betrachte ihre liebreizende Tochter, die nun die Herzogin von Gisle war.

»Habe ich dir je gesagt, wie stolz ich auf dich bin, Liebling?«

Sophie lachte. Sie sah nichts, worauf Eloise stolz sein könnte. Es war ihrer Tochter gelungen, eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Ehe zu schließen.

»Ich bin stolz auf dich, weil du in letzter Zeit deine wahre Herkunft beweist«, sagte Eloise nachdrücklich. »Ich weiß, wie grausam die so genannten Freunde sein können, wenn es nicht gut um eine Ehe steht. Aber du hast dich bei jeder Gelegenheit mit beispielloser Würde verhalten. Ich bin wirklich stolz auf dich, Sophie.«

Sophie schluckte die Tränen hinunter, die ihr wieder in die Augen stiegen. Es war ein merkwürdiges Erbe, das von einer Mutter an ihre Tochter weitergegeben wurde: die Fähigkeit, stolz und aufrecht in den Trümmern der eigenen Ehe zu stehen.

»Danke, Maman«, sagte sie schließlich und schluckte den schrecklichen Kloß in ihrer Kehle

hinunter.

02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
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